Von der Bereitschafts- zur Vollzeitpflege

Ein fester, unanfechtbarer Teil unserer Familie 

Wie aus einem Pflegebruder ein „richtiger Bruder“ wird und was die Unterstützung eines Trägers bei der Pflege eines jungen Menschen für einen Unterschied macht, lesen Sie in diesem Praxisbericht.

Wir sind eine sechsköpfige Familie und unser jüngster Sohn lebt seit ca. sechs Jahren als Pflegekind bei uns. Was das für uns als Familie bedeutet, konnten wir uns vorher nicht vorstellen; man muss es einfach erleben. Einerseits können wir sagen, dass Vieles mit zu den herausforderndsten Dingen in unserem Familienleben gehört. Andererseits haben gerade diese Veränderungen unsere Familie auf eine besondere Art geprägt und bereichert, auf die keiner von uns verzichten möchte.

Es war nicht unsere Initiative, ein Kind bei uns aufzunehmen, aber irgendwie hatte uns diese Idee schon lange beschäftigt. Über eine Bekannte kam eine Anfrage zu uns und wir haben uns sehr darauf gefreut, unseren Pflegesohn in unserer Familie aufzunehmen; unsere Kinder haben ihn direkt ins Herz geschlossen. Geplant war Bereitschaftspflege mit anschließender Rückführung. Als er dann wieder ging, war die Trennung für unsere Kinder so schwierig, dass wir entschieden haben, nie wieder Bereitschaftspflege zu anzubieten. Zwei Monate nach der Rückführung haben sich die Umstände leider insoweit verändert, dass unser Pflegesohn in Obhut genommen wurde und wir angefragt wurden, ob wir ihn erneut aufnehmen können. Erst haben wir uns dagegen entschieden, weil es völlig unklar war, wie die Situation sich entwickelt und ob uns und besonders unseren Kindern wieder eine Trennung bevorsteht. Aber dann haben wir uns als Familie dafür entschieden, denn die Vorstellung, dass dieses Kind in eine fremde Bereitschaftspflegefamilie kommen würde und dann eventuell noch einmal in eine Dauerpflege wechseln müsste, hat uns fast das Herz gebrochen. 

So kam er wieder zu uns und obwohl er noch sehr klein war, hat er sich an uns erinnert und sich schnell wieder eingelebt. 

In dieser Situation waren wir auf uns allein gestellt und die sehr häufigen Treffen mit der Herkunftsfamilie haben uns und auch unseren Pflegesohn teilweise sehr belastet. Der Familienalltag zu Hause lief gut, aber alle „äußeren“ Dinge haben uns in den zwei Jahren, in denen wir fast alles allein managen mussten, bis an unsere Grenzen gebracht.

Als dann nach vielen Gutachten und Gerichtsverhandlungen, in die wir ebenfalls involviert waren, entschieden wurde, dass unser Pflegesohn dauerhaft bei uns leben wird, wurde ein Vormund eingesetzt, der die schwierige Situation direkt erkannte und die Idee hatte, einen Träger als Unterstützung hinzuzuziehen.

Wir haben zwei Träger kontaktiert, aber sofort war für uns klar, dass tibb genau zu unserer Familie passt. Professionell, persönlich, unkonventionell und immer gut erreichbar bekommen wir seit fast vier Jahren genau die Unterstützung, die uns vorher gefehlt hat. Unser Familienberater hat uns seine Arbeit genauso erklärt, wie es dann praktisch umgesetzt wurde: Wir sind als Pflegeeltern dafür zuständig, in unserem Zuhause den Alltag unseres Pflegesohnes zu organisieren und ihm ein sicheres Heim zu bieten. Alles andere regelt tibb für uns. Dadurch hat sich alles verändert, denn es fühlte sich plötzlich so an, als würde tibb wie eine schützende Mauer vor uns stehen und unsere Familie wird kaum noch durch herausfordernde Gespräche oder Treffen belastet.

Nie mehr würden wir ein Pflegekind ohne diese Unterstützung betreuen wollen und jedem, der ein Kind aufnehmen möchte, würde ich raten, dies nicht ohne die Hilfe eines Trägers zu tun. 

Es ist wunderschön zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit unser Pflegesohn ein fester, unanfechtbarer Teil unserer Familie geworden ist und wir können nur staunen, wie er trotz der Dinge, die er bereits erlebt hat, viele positive Entwicklungsschritte macht. Wir finden es unglaublich, wie unsere Kinder unseren Pflegesohn als Bruder aufgenommen haben und wie besonders diese liebevolle Geschwisterbeziehung Positives bewirkt, wofür wir als Eltern nur dankbar sein können.

Zum Schluss dazu ein Zitat unseres damals sechsjährigen Sohnes, der vor anderen Kindern, die nach seinem „Pflegebruder“ fragten, Folgendes klarstellte: „Er ist kein Pflegebruder mehr. Er ist jetzt ein richtiger Bruder von uns geworden!“